Ernährung

Okra – Der Superhype zum angeblichen Superfood

Erfahrungen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

René Gräber
René Gräber

Ein “Hype” in Sachen Superfood soll Okra sein. Okra (nicht zu verwechseln mit Orca), eine Gemüsepflanze, die in Afrika und weiten Teilen Asiens sich relativer Beliebtheit erfreut.

Abb.1: Okra – Das neue “Superfood” soll gegen alles helfen…
Bildnachweis: 123rf.com – Thanthip Homsansri

Keine Frage, dass so etwas Exotisches in Sachen Ernährung das Interesse der alternativen Ernährungswissenschaftler erregt.

Inzwischen l  ässt sich auf einer Reihe von Webseiten nachlesen, dass Okra eine überwältigende Menge an nützlichen Eigenschaften aufweist.

So ist das Gemüse angeblich gut für das Gehirn, hegt und pflegt den Verdauungsapparat, hilft bei der Behandlung von Diabetes, stärkt das Immunsystem, bekämpft Asthma, hilft bei Sonnenbrand und Hitzschlag, ist gut für die Gesundheit von Herz, Augen, Haut etc., verhindert Krebs, stärkt die Knochen, entgiftet, heilt Anämien und einiges mehr.

Bei dieser geballten Fülle an Vorzügen fällt es dem Leser sehr schwer, hier plausible Einwände zu finden. Bei etlichen Webseiten über Okra folgt dann der dezente Hinweis auf die Bestellseite beziehungsweise Onlineshop.

Was bei diesen Webseiten auffällt, das sind nicht nur die Superlative, über die Okra angepriesen wird, sondern der immer wiederkehrende Hinweis auf Studien, die die Superlative unterstützen und bestätigen. Und fast allen diesen Webseiten ist gemeinsam, dass sie von Studien erzählen, aber niemals entsprechende Quellen angeben.

Da stellt sich natürlich sofort die Frage: Was ist Wahrheit und was ist Werbung?

Die Okra-Wissenschaft

Um es vorweg zu schicken: Es scheint etliche Arbeiten zu Okra zu geben. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass bei der Suche zum Beispiel in PubMed auch verwandte Arten mit erfasst werden, wie zum Beispiel Abelmoschus manihot. Hierdurch halbiert sich fast das ursprüngliche Suchergebnis von über 500 Arbeiten.

Weiter fällt auf, dass sich viele Arbeiten nicht mit den gesundheitlichen oder physiologischen Effekten von Okra beschäftigen, sondern Zucht- und Anbaubedingungen der Pflanze unter verschiedenen Gegebenheiten untersucht haben.

Dennoch bleibt unter dem Strich eine relativ ansehnliche Anzahl an Arbeiten übrig, mit deren Hilfe wir abschätzen können, ob es sich bei Okra um ein Superfood handelt oder nur um eine altbekannte, neue Verkaufsmasche in Sachen veganer und vegetarischer Ernährung.

Kein Superfood ohne den ausdrücklichen Hinweis auf seine antioxidative Wirksamkeit. Im Jahr 2015 erschien diese chinesische Arbeit:

Antioxidant and Anti-Fatigue Constituents of Okra.

Die Autoren untersuchten die Früchte, Samen und Haut auf verschiedene Inhaltsstoffe, wie Polysaccharide, Polyphenole, Flavonoide etc. auf mögliche antioxidative Aktivitäten in vitro und Fatigue mildernde Eigenschaften in vivo.

Es zeigte sich, dass die Samen eine signifikante antioxidative Wirksamkeit besitzen, verbunden mit einem Fatigue mildernden Potenzial. Die Autoren führten diese Wirkung zurück auf eine Reduktion von Milchsäure und Blut-Harnstoff-Stickstoff im Blut, und einer Verbesserung der Glykogenspeicherung. Ferner zeigten die Samen eine deutliche Senkung von Malondialdehyd, einem Marker für oxidativem Stress, und eine Erhöhung von antioxidativ wirksamen Enzymen, wie die Superoxid-Dismutase (SOD) und Glutathion-Peroxidase (GSH).

Mein Fazit: Okra scheint eine potente antioxidative Wirksamkeit zu haben, aber nur wenn man ausreichende Mengen von den Samen zu sich nimmt. Eine solche Differenzierung habe ich auf den Jubelseiten für Okra als Superfood nicht entdecken können.

Antifatigue Effects of Ethanol Extracts and Polysaccharides Isolated from Abelmoschus esculentus.

Wieder eine Arbeit aus China. Diesmal aus dem Jahr 2016. Diese Arbeit versuchte die Wirkmechanism von Extrakten und Polysaccharide der Okra-Frucht zu evaluieren. Probanden waren hier männliche Mäuse, die mit unterschiedlich hohen Dosen von Extrakten und Polysacchariden versorgt wurden. Der Anti-Fatigue-Effekt wurde durch die Messung von Körpergewicht, Nahrungsaufnahme, Schwimmzeiten, Glykogen in der Leber, Serum-Harnstoff und Milchsäure bestimmt.

Es zeigte sich, dass die Extrakte und Polysaccharide einen Anti-Fatigue-Effekt besitzen. Hohe Dosierungen von Polysacchariden zeigten den signifikanteren Effekt.
Mein Fazit: Ähnliche Ergebnisse gibt es auch für andere pflanzliche Nahrungsmittel. Überhaupt scheint dies eine Domäne von pflanzlichen Substanzen zu sein. Aber auch medizinische Pilze, wie zum Beispiel Ganoderma und Cordyceps, sind für diese Effekte bekannt.

Ein Superfood muss natürlich auch in der Lage sein, eine krebsverhindernde Wirkung nachzuweisen. Dieser Frage ging 2014 diese brasilianische Arbeit nach:

Lectin of Abelmoschus esculentus (okra) promotes selective antitumor effects in human breast cancer cells.

Die Autoren berichten von einem neu entdeckten Lectin, welches aus Okra isoliert worden war. Dieses Lectin wurde daraufhin auf Antitumor-Effekte bei Zellkulturen (Brustkrebszellen und Fibroblasten der Haut) untersucht. Das Lectin zeigte eine signifikante Hemmung des Wachstums der Brustkrebszellen. Eine Reihe von Apoptose-Parametern der Zellen waren signifikant erhöht. Es zeigten sich keine negativen Einflüsse von Lectin auf die gesunden Hautzellen.

Die Autoren empfehlen daher, das Okra-Lectin auf einen therapeutischen Einsatz gegen Brustkrebserkrankungen näher zu untersuchen.

Mein Fazit: Dies scheint die einzige bislang veröffentlichte Arbeit zum Thema Krebserkrankungen zu sein. Selbstredend reicht dies nicht aus, um daraus den „dogmatischen“ Schluss zu ziehen, dass Okra Krebs verhindern kann.

Okra scheint einen Effekt zu haben, der bislang von Astaxanthin bekannt ist: der Schutz vor UV-Strahlung:

Flavonoids Derived from Abelmoschus esculentus Attenuates UV-B Induced Cell Damage in Human Dermal Fibroblasts Through Nrf2-ARE Pathway.

Diese indische Arbeit erschien im Jahr 2016. Auch hier handelt es sich um eine Laborarbeit, bei der menschliche Fibroblasten der Haut auf Schädigung durch UVB-Strahlung mit und ohne Okra-Extrakt untersucht wurden.

Untersucht wurden UVB-induzierte Zellschädigungen, antioxidative Regulationsmechanismen, oxidative Schädigung der DNA, Entstehung freier Radikale in der Zelle, Zeichen für die Entwicklung einer Apoptose und die Regulation der Hämoxygenase.

Resultate: Die Vorbehandlung mit Okra-Extrakt verhinderte Schädigungen der Hautzellen. Sie verhinderte weiterhin den Verbrauch von antioxidativ wirksamen Enzymen, oxidativen Stress und DNA Schädigung und Apoptose bedingte Veränderungen.

Die Autoren schlossen daraus, dass Okra und seine Flavonoide einen Sonnenschutzfaktor bilden, der möglicherweise in entsprechenden Produkten zum Einsatz kommen könnte.

Mein Fazit: Es zeigen sich einige Parallelen zum Astaxanthin. Es bleibt noch festzustellen, bei welchen Konzentrationen dieser protektive Effekt zum Tragen kommt. Von Astaxanthin wissen wir, dass 5 mg täglich bereits eine signifikante Schutzfunktion ausüben. Von daher würde ich diesen Okra-Schutz lieber als Nahrungsmittel zu mir nehmen, anstatt als teure Sonnencreme mir auf die Haut aufzutragen.

Übrigens: Wenn Sie solche Informationen interessieren, dann fordern Sie unbedingt meinen Praxis-Newsletter dazu an:

Kann Okra das Gehirn schützen? Diese in den USA und Thailand erschienene Studie von 2015 scheint hier etwas gefunden zu haben:

The effects of okra (Abelmoschus esculentus Linn.) on the cellular events associated with Alzheimer’s disease in a stably expressed HFE neuroblastoma SH-SY5Y cell line.

Auch diese Arbeit ist eine Laborarbeit mit Zellkulturen, die eine genetische Variante tragen, die für ein erhöhtes Risiko für Morbus Alzheimer verantwortlich gemacht wird.
Die Autoren sahen unter der Behandlung mit Okra und Quercetin in den Zellen eine Abnahme von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), Hydrogenperoxid und Oxidation von Proteinen im Vergleich zu Zellen, die nicht mit der Kombination behandelt worden waren.

Die Hyper-Phosphorylierung von Tau-Proteinen war ebenfalls deutlich reduziert. Die Behandlung mit Okra reduzierte dazu signifikant den Gehalt an Eisen in den untersuchten Zellen.

Die Autoren vermuten, dass eine Behandlung mit Okra bei Erkrankten mit diesem spezifischen genetischen Defekt ein Schutz gegen Alzheimer oder andere neurodegenerative Erkrankungen verursacht durch oxidativen Stress sein könnte.

Mein Fazit: Es wird schwierig werden, aus dieser einzigen Arbeit (andere Arbeiten zu diesem Thema mit Okra scheint es noch nicht zu geben) einen schlüssigen Beweis für einen Schutz des Gehirns zu „schnitzen“.

Es handelt sich hier erst einmal um positive Effekte auf dem Labortisch bei isolierten Zellkulturen mit einer spezifischen genetischen Besonderheit, die das Risiko für Alzheimer erhöht, nicht aber die Ursache dafür zu sein scheint. Es bleibt auch noch zu fragen, ob die Substanzen in Okra, die unter Laborbedingungen eine protektive Funktion ausüben, überhaupt in der Lage sind, im Organismus die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.

Bis dies alles geklärt ist, wird wohl noch ein wenig Zeit ins Land gehen. Jedenfalls sehe ich keinen Grund und keinen Beweis für eine Schutzfunktion gegen Alzheimer im lebenden „Objekt“.

Es gibt einige Arbeiten zur Frage, ob die Wirksubstanzen von Okra eine immunmodulierend der Wirkung besitzen.

Composition analysis and immuno-modulatory effect of okra (Abelmoschus esculentus L.) extract.

Ziel dieser taiwanesischen Arbeit aus dem Jahr 2012 war es, die Zusammensetzung eines Okra-Extrakts zu analysieren und die Effekte von Okra-Polysacchariden auf die Reifung und Funktion von dendritischen Zellen aus Knochenmark einer Ratte zu untersuchen.
Die Autoren sahen, dass eine Behandlung mit den Polysacchariden zu einer verstärkten Freisetzung von Th1-Zytokinen führte, was Ausdruck einer immunmodulatorischen Reaktion ist.

Mein Fazit: Diese Arbeit gibt einen Hinweis auf entzündungshemmende Kapazitäten von Okra beziehungsweise seinen Polysacchariden.

Purification, characterization and immunomodulating activity of a polysaccharide from flowers of Abelmoschus esculentus.

Diese Arbeit aus China aus dem Jahr 2014 beschäftigt sich mit den Blüten von Okra. Die Autoren stellten einen Blütenextrakt her, den sie auf immunmodulierende Kapazitäten prüften. Sie sah, dass die wasserlöslichen Polysaccharide aus diesem Extrakt in der Lage waren, Tumornekrosefaktor-alpha und Stickstoffmonoxid-Synthasen (iNOS) zu aktivieren.

Außerdem stieg in den Zellkernen die Aktivität von NF-κB (nuclear factor kappa B cells), ein Transkriptionsfaktor, signifikant an. Dieser Faktor modelliert die Aktivität und Produktion von iNOS, NO und TNF-alpha.

Die Autoren vermuten, dass die immunmodulierende und Antitumor-Aktivität auf der Stimulierung von Makrophagen beruht, vermittelt durch NF-κB.

In Vitro and In Vivo Immunomodulatory Activity of Okra (Abelmoschus esculentus L.) Polysaccharides.

Diese chinesische Arbeit aus dem Jahr 2016 ist ähnlich aufgebaut wie die zuvor diskutierte Arbeit und kommt auch zu sehr ähnlichen Ergebnissen bezüglich der Polysaccharide von Okra und ihren Fähigkeiten, immunmodulierende Prozesse auszuüben.

Mein Fazit: Die hier dargestellten Arbeiten sind durchweg Laborarbeiten und siedeln sich im Bereich der Grundlagenforschung an. Diese Arbeiten untersuchen nicht den Effekt der Wirksubstanzen von Okra auf den Organismus, sondern versuchen herauszufinden, welche prinzipielle Wirkung diese Substanzen mit sich bringen.

Damit ist noch nicht sichergestellt, dass diese Substanzen im Organismus ebenso wirken, da hier nicht zuletzt durch Verdauung und Resorption zum Beispiel Schranken auftreten können, die diese Substanzen eliminieren. Gleichfalls kann die Leber mit ihren Enzymen ein limitierender Faktor werden.

Und wie vorhin schon angesprochen, können Wirksubstanzen in Okra, die auf dem Labortisch eine schützende Wirkung vor degenerativen Prozessen im Zentralnervensystem gezeigt haben, nicht automatisch als in einem lebenden System wirksam angesehen werden. Ein wichtiger limitierender Faktor ist hier die Blut-Hirn-Schranke, die nur selektiv bestimmte Substanzen ins Gehirn vordringen lässt.

Für Diabetes liegen einige neuere Studien vor, die ein vielversprechendes Bild zeichnen:

Extract of okra lowers blood glucose and serum lipids in high-fat diet-induced obese C57BL/6 mice.

In dieser chinesischen Studie aus dem Jahr 2014 setzten die Autoren einen Ethanolextrakt von Okra ein, der bei übergewichtigen Mäusen die Blutzuckerwerte und Insulinkonzentrationen senkte und die Glucosetoleranz verbesserte. Serum-Triglyceride und die Morphologie der Leber zeigten sich signifikant verbessert. Erhöhte Cholesterinspiegel wurden gesenkt.

Die Autoren stellten antioxidative Aktivitäten des Extrakts fest (in vitro).
Die Autoren schlossen daraus, dass Okra eine diätetische Therapie bei erhöhten Blutzucker und erhöhten Blutfettwerten sein kann.

The Effect of Abelmoschus Esculentus on Blood Levels of Glucose in Diabetes Mellitus.

Diese iranische Metaanalyse aus dem Jahr 2016 kommt zu dem Schluss, dass die bislang durchgeführten Studien ein positives Bild von Okra bei der Senkung von Blutzuckerwerten belegen. Daher empfehlen sie den Verzehr von Okra.

Mein Fazit: Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit empfehlenswert, als Diabetiker auch Okra in seinem Diätplan mit aufzunehmen. Negative Konsequenzen daraus wären mehr als eine Überraschung. Aber eine wissenschaftliche Empfehlung aufgrund der gegenwärtigen Studienlage lässt sich so nicht ableiten, da die meisten Studien Laborstudien oder Tierversuche sind.

Protective Effect of Abelmoschus esculentus Against Alloxan-induced Diabetes in Wistar Strain Rats.

Auch diese 2016 veröffentlichte indische Studie wurde mit Ratten durchgeführt. Die Autoren fütterten Ratten 35 Tage lang mit Okra-Extrakten und bestimmten antioxidative Aktivitäten beziehungsweise deren Veränderungen. Eine zusätzliche Gabe von Alloxan, einer chemischen Substanz zur Auslösung von experimentellem Diabetes bei den Tieren, wurde durch die zuvor getätigte Gabe von Okra-Extrakt verhindert.
Auch hier empfehlen die Autoren Okra als Teil einer Diät für Diabetiker.

Abelmoschus esculentus fractions potently inhibited the pathogenic targets associated with diabetic renal epithelial to mesenchymal transition.

Taiwan 2016. Die Autoren untersuchten in einer Laborstudie, inwieweit Okra eine durch Diabetes bedingte Zerstörung von Nierenzellen verhindern kann. Die Extrakte, die Flavonoid oder Polysaccharide enthielten, zeigten sich am wirkungsvollsten.
Von daher schließen die Autoren, dass ein Okra-Extrakt als Zusatz zur Therapie des Diabetes in der Lage ist, vor einer diabetischen Nephropathie zu schützen.

Fazit

Okra ist ein ein wenig exotisches Gemüse, dass seine Verbreitung in Teilen Afrikas und Süd- und Südostasien gefunden hat. Auffällig ist, dass bei der Zubereitung eine schleimige Substanz entsteht, die unter Umständen ein wenig gewöhnungsbedürftig ist.

Aber dieser „Schleim“ enthält ein hohes Maß an löslichen Ballaststoffen, wie die gesamte Pflanze ein ausgezeichneter Lieferant für sowohl lösliche als auch feste Ballaststoffe ist. Des Weiteren ist Okra reich an Vitamin C, Vitamin K und Magnesium.

Von daher glaube ich, dass Okra eine Bereicherung ist auf der Liste der pflanzlichen Nahrungsmittel. Aber es ist nicht besser und nicht schlechter als alle anderen Gemüse-, Obst- und Salatsorten auch. Von daher können wir den Begriff „Superfood“ für Okra in den Bereich der Marketingmärchen verweisen.

Denn es gibt keine einzige klinische Studie am Menschen mit Okra. Und es gibt erst recht keine Studie, die gezeigt hat, dass die Vielzahl der unterstellten Wirkungen beim Menschen wissenschaftlich bewiesen worden sind.

Beitragsbild: fotolia.com – C. alinamd

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