Heilfasten

Die hawaiianische Darmreinigung

Erfahrungen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

René Gräber
René Gräber

Endlich gibt es ihn wieder: den Hype aus Amerika in der alternativen Heilerszene. Und dieser kommt direkt aus Hollywood und heißt „hawaiianische Darmreinigung“. Es handelt sich dabei um eine Kräuterkur, die angeblich die Ureinwohner Hawaiis erfunden hatten.

Aber wie kommen die Ureinwohner nach Hollywood? Beziehungsweise wie kommt diese Art der Darmreinigung dort hin? Denn die Informationen, die ich im Internet auf verschiedenen Webseiten gefunden haben, sprechen überwiegend von einer „Geheimrezeptur verschiedener Kräuter“, die bei der Kur zum Einsatz kommt. Aha, da hat also so ein Ureinwohner in Hollywood geplaudert und die letzten hawaiianischen Geheimnisse verraten?

Ähnlich konfus sind auch die Ratschläge der Webseitenbetreiber, wenn es um die Frage geht, ob der interessierte Kunde die “Hawaiianische Darmreinigung” alleine zu Hause machen kann oder ob er zu einer Kurklinik gehen sollte.

Je nachdem, was die Webseite anzubieten hat, fallen auch die Ratschläge aus: Wird die Webseite von einer Klinik oder Sanatorium unterhalten, dann raten die Betreiber dringend von einer Kur zu Hause ab. Nur in dem entsprechenden Institut kann der Kunde optimale Ergebnisse erwarten. Wird die Seite aber von einem Vertreiber von Heilkräutern und anderen alternativen Methoden geführt, dann kann diese Kur plötzlich doch gut und zufriedenstellend zu Hause durchgeführt werden.

So, wie es aussieht, diktiert hier das Verkaufsinteresse die Antwort auf eine wichtige Fragestellung. Denn für eine Klinik ist es uninteressant, wenn Heilverfahren auch zu Hause durchgeführt werden können. Und für Verkäufer von Mittelchen ist es uninteressant, wenn sie Sachen im Sortiment haben, die nur in der Klinik oder Sanatorium zum Einsatz kommen dürfen.

Das sind natürlich nur Randerscheinungen bei der Darstellung einer Heilmethode und sagen noch nichts über deren Effektivität und Sicherheit aus. Aber sie sagen etwas aus über die Güte der Informationen, mit denen man es zu tun bekommt. Da es keine wissenschaftlichen Arbeiten über diese Anwendungsform gibt, sind wir diesen Informationen „ausgeliefert“. Das klingt leider nicht besonders vertrauenerweckend.

Geschichtliches zur Hawaiianischen Darmreinigung

Wenn es um die Geschichte dieser Darmreinigung geht, dann erfahren wir, dass eine gewisse Auntie Margaret aus Hawaii in jungen Jahren von ihrem schamanischen Großvater auserwählt und gesegnet worden ist, auf dass sie die Befähigung erlangte, die Kunst des „ho´oponopono“ zu praktizieren.

Dies ist die hawaiianische Kunst der mentalen Reinigung mittels Besprechungen, Untersuchungen und Gebeten. Angeblich soll die heutige Rentnerin die einzige authentische Schamanin auf Hawaii sein, die von der dortigen Regierung dafür sogar eine Lizenz bekommen hat. Und, so heißt es, sollten „ihre intuitiven Fähigkeiten Tausende von Patienten geheilt“ haben. Denn immer und immer wieder kamen in der Vergangenheit Hawaiianer zu ihr, deren verschiedene Krankheiten sie mit Meerwasser und Kräutern behandelte. Und so soll die Hawaiianische Darmreinigung entstanden sein.

Pathophysiologische Grundlagen der Hawaiianischen Darmreinigung

Hier fällt es mir natürlich schwer, „ordentliche“ wissenschaftliche Arbeiten oder evidenzbasierte Spekulationen der Schulmedizin auf den Tisch zu legen, weil es diese nicht gibt.

Wie die Geschichte dieser Heilmethode schon nahelegt, scheint sie ein Produkt intuitiver Eingebung seitens Auntie Margarets zu sein. Aber Intuitionen müssen nicht falsch sein. Gute Wissenschaftler haben ein hohes Maß an Intuition. Nur sind Intuition und Nachweise, beziehungsweise Beweise, zwei verschiedene Angelegenheiten.

Das wissen auch unsere Freunde aus Hollywood und deren Freunde diesseits des Atlantiks. Sie erklären die Wirkweise der Hawaiianischen Darmreinigung dann auch weniger intuitiv. Für sie ist die westliche Ernährung mit ihren konservierten, bestrahlten und extrem verarbeiteten Nahrungsmitteln der Hauptübeltäter, der zu Ablagerungen im Darm führen soll.

So sind mangelhaftes Kauen und Einspeicheln der Nahrung, in Einklang mit falschen Zusammensetzungen von Mahlzeiten dafür verantwortlich, dass die Nahrung letztlich vom Körper nicht mehr richtig verdaut werden kann. Resultat: der an- oder unverdaute Speisebrei bleibt einfach im Darm liegen.

An dieser Stelle würde ich sagen, dass nur eine kontrollierte Studie klären kann, ob dem wirklich so ist. In dieser Studie müssen dann Darmspiegelungen bei Naturvölkern, die natürlich essen, und Menschen mit zivilisierter Nahrungsmittelaufnahme, die schlingen statt zu kauen, durchgeführt und verglichen werden.

Keine Frage, so ein Ansinnen ist illusorisch. Aber ich bin mir hier auch nicht sicher, ob die Arbeitshypothese der Protagonisten der Hawaiianischen Darmreinigung wirklich der Realität entspricht. Denn diese wird noch weiter erklärt und ausgebaut:

„Unser Körper scheidet Schleim im Darm aus, um sich vor Giften zu schützen. Normalerweise kann dieser Schleim von den Absonderungen der Bauchspeicheldrüse leicht wieder ausgewaschen werden. Nehmen wir aber schleimbildende Nahrungsmittel, wie z. B. Fleisch, Fisch, Zucker, Milchprodukte, Alkohol, Konserven etc., aber auch Sojaprodukte und Getreide zu uns, ist die Bauchspeicheldrüse dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen. Dann werden im Darmtrakt schichtweise Ablagerungen aufgebaut, die sich schließlich verfestigen und verhärten.“

Und genau darum gibt es Passagen im Darm des modernen Menschen, der mit einer gummiartigen Kotmasse ausgekleidet ist, die eine Resorption von Nährstoffen verhindert. Das geht sogar so weit (in der Erklärung der Protagonisten), dass „der Körper nach immer mehr Essen verlangt und regelrecht vor vollen Tellern ´verhungert´.

Spätestens hier bekomme ich ein gewaltiges Problem. Denn laut Hawaii „verhungern“ die Mitglieder der Zivilisation, während ich täglich die Beobachtung mache, dass sie möglicherweise bald platzen. Dass Übergewicht auch eine Form der Fehlernährung ist, das ist klar. Aber Fehlernährung und Verhungern sind so verschieden wie Intuition und Beweis.

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Wie reinigt Hawaii den Darm?

Nachdem der alternativ-medizinische Unterbau ideologisch-gummiartige Erklärungen mit Rissen aufzuweisen hat, dürfen wir gespannt sein, wie die Praxis aussieht, die auf diesem Fundament thront.

Wir wissen ja schon, dass es sich bei der Kräutermischung um eine Geheimrezeptur handelt. Das ist schon mal gut. Da muss man also zum Anbieter oder in die Klinik laufen und das Zeugs kaufen, weil man es sich nicht selber zusammen schustern kann.

Unglücklicherweise gibt es Quellen, die das Geheimnis nicht für sich behalten können und die von einem Einsatz von Grapefruitsaft, Flohsamenschalen und Bentonit sprechen.

Aber angeblich sollen es mehrere Kräuter und nicht nur Flohsamenschalen sein – ein Umstand, zu dessen Klärung ich keine Quellen habe finden können. Also bleibt doch vielleicht ein bisschen Geheimnis zurück bei der intuitiven Rezeptur der Kräuter.

Morgens trinkt der angehende Hawaiianer während seiner Kur Salzwasser. Danach trinkt er normal weiter normales Wasser. Nachmittags und abends trinkt er dann dreimal die erwähnte Kräutermischung mit dem Fruchtsaft.

Der Zucker in dem Fruchtsaft (Fruktose!) soll dann angeblich vor einer Unterzuckerung schützen, denn die Hawaiianische Darmreinigung ist nicht nur eine Darmreinigung, sondern auch eine Fastenkur. Dies stellt sich spätestens hier heraus.

Dass aber Fruktose ausgerechnet vor einer Hypoglykämie schützen soll, ist ein Fauxpas, der mir zeigt, dass die Pathophysiologie aus Hawaii intuitiv an das alternative Marketingkonzept der Umsatzbildung angepasst worden ist. Oder ist man hier wirklich so einfältig zu glauben, dass Fruchtzucker gesund ist, weil er ja aus Früchten kommt? Denn dass der Fruchtzucker das genaue Gegenteil von dem ist, was viele „Naturjünger“ glauben, habe ich in dem Artikel Fruchtzucker und Fruktose – alles andere als gesund eingehend beschrieben.

Ob der Grapefruitsaft jetzt in dieser spezifischen Situation eine schädigende Wirkung über seine Fruktose entfaltet, das wage ich zu bezweifeln. Aber er wird auch keine Hypoglykämien verhindern können. Und so wie der akademische Unterbau in Sachen Pathophysiologie falsch erklärt wird, nimmt diese Fehlerhaftigkeit seinen Lauf weiter in der Praxis dieser Behandlungsmethode.

Auch die Gabe von Salzwasser leuchtet mir auf den zweiten Blick nicht mehr ein. Es soll aufgrund seines Salzgehalts Wasser aus dem Körperinneren zurück in den Darm fließen lassen, damit der Wasserfluss den „Gummi-Kot“ von den Darmwänden spült. Aber das Wasser im Körper ist selbst kein reines Wasser, sondern eine Salzwasserlösung. Weiter steht auch der Beweis aus, dass bei einer hypertonen Salzwasserlösung der Rückfluss von Wasser in den Darm einen solchen Druck auf die Kotablagerungen ausüben kann, dass diese von der Wandung abgespült werden. Und die Frage, ob es diese Ablagerungen in dieser Form und Intensität überhaupt gibt, bliebe auch noch zu klären.

Wenn die Pathophysiologie versagt, dann ist der Geist an der Reihe

Da der Darm ja eng mit dem zentralen Nervensystem verbunden ist und eine Art „zweites Gehirn“ (Bauchhirn) darstellt, kommt der Darmreinigung eine besondere Note zu. Denn die physische Reinigung bringt angeblich auch alte, ungelöste psychische Themen in Wallung.

Ich weiß nicht, ob in der Psyche auch gummiartige Ablagerungen vorkommen. Aber auf jeden Fall erlöst die Hawaiianische Darmreinigung uns nicht nur vom Mist im Bauch, sondern auch vom Mist im Hirn. Nach der Anwendung ist man befreit, entspannt, emotional erfrischt und so weiter – so die evidenzbornierte Werbung der Hype-Anbieter.

Und auch hier wage ich ein paar Zweifel einzustreuen. Nicht dass solche Reaktionen nicht möglich sind. Nur zu oft habe ich bei meinen Fasten-Patienten ähnliche psychische Veränderungen zum Positiven sehen können – keine Frage. Aber gerade auf psychologischer Ebene gibt es nicht diese in Beton gemeißelten Garantien auf eine befreite Psyche, wie sie hier von den Darmreinigungsanbietern gefeiert werden. Für mich sind diese Ausführung der Darmreinigung fast gleichzusetzen mit einer zuvor durchgeführten Hirnwäsche, die uns all das glauben machen soll, was unwahrscheinlich ist.

Fazit

Die Hawaiianische Darmreinigung ist ein Fastenprogramm mit Darmreinigungscharakter, das auf nicht nachvollziehbaren pathophysiologischen Annahmen aufgebaut ist.

Dementsprechend fragwürdig ist auch die sich darauf aufbauende Praxis (siehe Fruktose und Hypoglykämie). Ich meine aber nicht, dass den Patienten daraus ein “physischer Schaden” zugefügt werden kann. Im Gegenteil: Begleitende Maßnahmen dieses Fastenprogramms mit Meditation, Körperübungen und so weiter versprechen meiner Meinung nach sogar einen positiven Effekt. Und von den empfohlenen Flohsamenschalen halte ich sowieso sehr viel. Wenn mir mal jemand das “echte” Geheimprogramm (inkl. Rezeptur) geben könnte, würde ich diese Kur gerne einmal testen.

Zum Weiterlesen: Wissenschaftliche Studien zur Darmreinigung

Beitragsbild: fotolia.com – C Henry Schmitt

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